Eine effektive Steuerung ist im Projektmanagement die Grundlage für erfolgreiches Handeln. Zweck des Themas Fortschritt ist es, den Verlauf des Projekts erfolgreich zu überwachen und zu steuern. Es muss jederzeit möglich sein, eine Aussage über den Fortschritt des Projekts, einer Phase oder eines Arbeitspakets zu machen und auf Basis vorhandener valider Informationen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

PRINCE2 definiert eine Reihe von unterschiedlichen Steuerungsmechanismen. Diese werden Steuerungsmittel genannt und tragen dazu bei, die Entscheidungsfindung zu unterstützen. Die verschiedenen Managementebenen überwachen anhand der Steuerungsmittel den Fortschritt des Projekt, beurteilen die tatsächlich erbrachte Leistung, prüfen Pläne und Optionen, erkennen Probleme und Risiken, leiten Korrekturmaßnahmen ein oder geben weitere Arbeiten frei.

Inhaltlich werden drei verschiedene Ansätze beschrieben, um eine effektive Steuerung zu ermöglichen:

Toleranzen und Ausnahmen

Eine Ausnahme ist in PRINCE2 als eine Situation definiert, in der eine Abweichung über die vereinbarten Toleranzen hinaus absehbar oder bereits eingetreten ist. Toleranzen bestimmen, in welchem Maß Abweichungen von den definierten Projektdimensionen zulässig sind und keine Eskalation an die entsprechend höhere Managementebene notwendig ist.

In PRINCE2 können sechs Toleranzbereiche definiert werden:

Toleranzbereich Beschreibung
Zeit +/- Zeitangaben für einen geplanten Termin. Werden für den Projektplan, Phasenplan und Arbeitspaket von den jeweils höheren Managementebenen definiert.
Kosten +/- Abweichungen vom Budgetplan. Die Kostentoleranzen werden ebenfalls im Projektplan, Phasenplan oder Arbeitspaket festgehalten.
Umfang Beschreibt den Umfang des Projektplans und ggf. auch des Phasenplans/Teamplans. Verschiedene Anforderungen können mit „unbedingt erforderlich“, „sollte umgesetzt werden“, „kann umgesetzt werden“ oder „ist für die Zukunft“ vermerkt werden.
Risiko Grenzwert für Bedrohungen. Wird als Wert für alle Risiken definiert, der dem Projektbudget gegenübergestellt wird oder auch für ein einzelnes Risiko. Die projektbezogene Risikotoleranzgrenze ist in der Risikomanagementstrategie dokumentiert und kann für einzelne Phasen oder Arbeitspakete heruntergebrochen werden.
Qualität Definiert einen Grenzbereich der vereinbarten Qualitätsziele. Die Qualitätstoleranz ist in der Produktbeschreibung des Projektendproduktes und den Produktbeschreibungen der Teil und Einzelprodukte definiert.
Nutzen Definition eines Pufferbereichs für den Nutzen, welcher im Business Case dokumentiert wird.

Toleranzen unterstützen insbesondere das Grundprinzip Steuern nach dem Ausnahmeprinzip und entlasten das Management bei der Steuerung des Projekts. Grundsätzlich sollte der Projektmanager, sobald er befürchten muss die Toleranzen nicht mehr einhalten zu können, einen Ausnahmebericht an den Lenkungsausschuss eskalieren. Der Projektmanager darf in dieser Situation nicht warten oder eigenständig versuchen eine Lösung zu finden, da alle sechs Projektdimensionen und die damit verbundenen Toleranzen vom Lenkungsausschuss festgelegt wurden. Der Projektmanager ist „lediglich“ durchführungsverantwortlich und sollte nicht eigenmächtig über eine Anpassung der Grenzen die durch die ergebnisverantwortliche Instanz, dem Lenkungsausschuss, gewährt werden entscheiden.

Ohne Toleranzen muss er bei jeder befürchteten Abweichung von den geplanten Werten sofort an den Lenkungsausschuss eskalieren. Toleranzen ermöglichen dem Projektmanager innerhalb eines „Spielraums“ frei zu entscheiden und das Projekt zu managen. Dies entlastet den Lenkungsausschuss.

Auf diese Weise können zwischen allen Managementebenen des Projekts sowie dem Unternehmens- oder Programmmanagement entsprechende Toleranzbereiche (top down) und Eskalationsprozedere (bottom up) zwischen folgenden Ebenen vereinbart werden:

  • Unternehmens – oder Programmmanagement
  • Lenken – Lenkungsausschuss
  • Managen – Projektmanager
  • Liefern – Teammanager
  • Das Unternehmens- oder Programmmanagement

    Das Unternehmens- und Programmmanagement gehört nicht zum Projektmanagementteam im Sinne von PRINCE2. Es entsendet einen Vertreter, den Auftraggeber, der seine Interessen im Projekt wahrnimmt.

    PRINCE2 geht davon aus, dass der Auftraggeber das Unternehmens- und Programmmanagement regelmäßig über den Projektfortschritt und eventuelle Ausnahmen informiert. In welcher Form dies zu erfolgen hat, wird in PRINCE2 nicht näher beschrieben, da dies gewissermaßen außerhalb der Methode liegt und von jedem Unternehmen spezifisch definiert wird. Wichtig für das Toleranzsystem ist jedoch, dass diese Managementebene die sogenannten Projekttoleranzen an den Lenkungsausschuss vergibt.

    Steuerung des Projekts durch den Lenkungsausschuss

    Die wichtigsten Steuerungsmittel, die dem Lenkungsausschuss zur Verfügung stehen, sind Fortschrittsberichte wie der Projektstatusbericht oder auch der Phasen- oder Projektabschlussbericht, Offener-Punkt-Bericht und Ausnahmebericht, der bei Abweichungen erstellt wird, die außerhalb der gesetzten Toleranzen liegen. Steuernd eingreifen kann der Lenkungsausschuss durch die im Prozess Lenken eines Projekts beschriebenen Aktivitäten. Alle hier beschriebenen Aktivitäten sind ausnahmslos Entscheidungen (z.B. Freigabe der nächsten Phase oder Ad-Hoc-Anweisung geben), die vom Lenkungsausschuss im Rahmen seiner Verantwortung getroffen werden.

    Steuern nach dem Ausnahmeprinzip ist für den Lenkungsausschuss maßgeblich. Der Lenkungsausschuss kommt im Projektverlauf in der Regel nur zusammen, um Phasenabschlussbewertungen vorzunehmen, die neuen Phasenpläne frei zu geben und in einer Ausnahmesituation. Sollten die Toleranzen auf Phasenebene bedroht sein oder überschritten werden, wird der Projektmanager einen Ausnahmebericht, welcher auch eine Empfehlung des Projektmanagers enthält, an den Lenkungsausschuss eskalieren. Fünf verschiedene Entscheidungen können nun auf Basis des Ausnahmeberichts getroffen werden:

    • Weitermachen – Der Lenkungsausschuss verschiebt die Entscheidung und legt fest, dass die Situation weiterhin beobachtet wird.
    • Projekt vorzeitig beenden – Der Lenkungsausschuss beschließt, nach Prüfung aller Informationen, das Projekt vorzeitig zu beenden.
    • Toleranzerweiterung – Der Lenkungsausschuss entscheidet die Phasentoleranzen zu erweitern.
    • Konzession – Die gemeldete Spezifikationsabweichung wird toleriert und die entsprechende Projektdokumentation (Produktbeschreibung etc.) angepasst.
    • Ausnahmeplan – Der Projektmanager wird angewiesen, einen entsprechenden Ausnahmeplan, der die Ausnahme innerhalb der Planung enthält, anzufertigen. Auf Basis des Ausnahmeplans nimmt der Lenkungsausschuss eine Ausnahmebewertung vor und entscheidet ggf. den Ausnahmeplan zu genehmigen. In diesem Falle würde der Ausnahmeplan zum nächsten gültigen Phasenplan.

    Steuerung des Projekts durch den Projektmanager

    Die wichtigsten Steuerungsmittel des Projektmanagers für die tägliche Arbeit sind die Vereinbarung von Arbeitspaketen während des Prozesses Steuern einer Phase, Fortschrittsberichte in Form des Teamstatusberichtes des Teammanagers, Probleme/Anliegen, Ausnahmen, Änderungen, Spezifikationsabweichungen, die in Form von offenen Punkten gemeldet werden, der Business Case, die Pläne und die verschiedenen Register. Offene Punkte werden im entsprechenden Register dokumentiert und ggf. über einen Offener-Punkt-Bericht oder einen Ausnahmebericht weiter gemanagt. Diese Steuerungsmittel sollen sicherstellen, dass Produkte innerhalb der Qualitätsanforderungen geliefert werden und das Projekt innerhalb der Zeit und Kostenvorgaben und mit den zur Verfügung gestellten Ressourcen realisiert wird.

    Der Projektmanager stellt im Rahmen seiner Verantwortung Steuerungsmittel, wie z.B. den Projektstatusbericht, für den Lenkungsausschuss bereit, damit dieser anhand der richtigen Information zum richtigen Zeitpunkt über den Projektfortschritt entscheiden kann. Sollte der Projektmanager die Phasentoleranzen nicht einhalten oder lediglich befürchten, diese nicht einzuhalten, muss er einen Ausnahmebericht an den Lenkungsausschuss eskalieren.

    Steuerung des Teams durch den Teammanager

    Der Projektmanager vereinbart mit dem Teammanager das Arbeitspaket, welches die Produktbeschreibungen der herzustellenden Produkte enthält. Die dort ebenfalls dokumentierten Toleranzen geben vor, in welchem Rahmen das Team zu agieren hat. In vereinbarten Abständen berichtet der Teammanager über den Fortschritt der Arbeiten in Form des Teamstatusberichts. Sollte er Toleranzen nicht einhalten, eskaliert er einen offenen Punkt an den Projektmanager.

    Der Teammanager könnte abhängig von der Größe des Arbeitspakets, die Umsetzung ebenfalls wie ein eigenständiges PRINCE2-Projekt managen. Er würde nun verschiedene Gruppen von Spezialisten mit der Herstellung von Teilprodukten beauftragen und z.B. regelmäßige Statusberichte vereinbaren.

    Steuerungsmittel

    Der Begriff „Steuern“ spielt in PRINCE2 eine wesentliche Rolle und wird an dieser Stelle noch einmal genauer erklärt: Steuern meint eine gerichtete Beeinflussung ausüben, bewusst entscheiden, wie sich in einer bestimmten Situation verhalten wird. Der Knackpunkt dabei ist die bewusste Entscheidung.

    Um entscheiden zu können, muss zur richtigen Zeit die richtige Information vorliegen. Hier kommen die Steuerungsmittel ins Spiel: Steuerungsmittel sind in aller Regel Informationen, die zum richtigen Zeitpunkt unterstützend vorliegen. Dafür gibt es in PRINCE2 die Managementprodukte z.B. die Berichte, Aufzeichnungen, Dokumente/Daten, die auf die eine oder andere Art Informationen bereitstellen und helfen zu einem festen Zeitpunkt eine Entscheidung zu treffen.

    Allgemein gibt es zwei unterschiedliche Arten von Steuerungsmitteln:

    • Ereignisgesteuerte Steuerungsmittel: Informationen, die zeitunabhängig und ereignisabhängig eintreten, wie z.B. das Ende einer Phase oder die Fertigstellung eines Produkts, und Steuerung des Fortschritts ermöglichen. Beispiele hier sind der Phasenabschlussbericht, das Arbeitspaket oder ein Ausnahmebericht.
    • Zeitgesteuerte Steuerungsmittel: Regelmäßige, zeitlich gesteuerte Berichte, die unabhängig von Ereignissen zu bestimmten zeitlichen Intervallen die Steuerung des Fortschritts ermöglichen. Zwei zeitgesteuerte Steuerungsmittel sind der Projektstatus- und Teamstatusbericht.

    Folgende Managementprodukte sind für die ereignisgesteuerte Steuerung von Bedeutung und dienen somit als Vergleichswert für die Fortschrittsüberwachung:

    Die folgenden Managementprodukte helfen mögliche Erfahrungen zu dokumentieren:

    • Erfahrungsprotokoll (sammelt alle Erfahrungen, die für das eigene Projekt oder für andere Projekte hilfreich sein können)
    • Erfahrungsbericht (ein Bericht über die Erfahrungen, die für Projekte hilfreich sein können)

    Die folgenden Managementprodukte werden verwendet, um zu fest definierten Zeitpunkten, welche sich im Verlauf des Projekts verändern können, über den Fortschritt zu berichten:

    Einteilung des Projekts in Phasen

    Die Zeitachse des Projekts wird bei PRINCE2-Projekten in sogenannte Managementphasen abhängig vom Umfang, Komplexität und der Risiken unterteilt. Diese Managementphasen ermöglichen:

    • Entscheidungspunkte für die Bewertung des Projekts, ob die Ziele noch erreicht werden
    • die Möglichkeit, auszuführende Arbeiten in Abschnitte zu unterteilen und gesondert über diese zu entscheiden
    • die Möglichkeit, auf Basis erzielter Ergebnisse Änderungen vorzunehmen
    • in Ausnahmefällen neu zu entscheiden und ggf. die Phasen neu oder anders zu zuschneiden

    Ein vollständiges PRINCE2-Projekt besteht aus mindestens zwei Phasen, der Initiierungsphase und mindestens einer nachfolgenden Phase, welche dann auch gleichzeitig die letzte Phase ist. Die Anzahl und die Länge der Phasen richten sich darüber hinaus nach folgenden Faktoren:

    • Wie groß sind die Risiken?
    • Wie weit im Voraus ist eine Planung möglich und überhaupt überschaubar (Planungshorizont)?
    • Wo sind wichtige Entscheidungspunkte und wie werden die technischen Phasen geplant?
    • Wie groß ist das Vertrauen des Lenkungsausschusses?
    • Ist die Art des Projekts bekannt oder völliges Neuland für das Projektmanagementteam?

    Als technische Phase wird in PRINCE2 ein Zeitraum bezeichnet, der benötigt wird, um ein Produkt, Arbeitspaket, Release oder eine technische Entwicklung durchzuführen. Technische Phasen können durchaus überlappen oder gar parallel verlaufen, während Managementphasen immer linear aufeinanderfolgen. Dies entkoppelt die Steuerung des Projektmanagements (Managementphasen) von der eigentlichen Produktherstellung (technische Phase). So wird die Produktherstellung so effizient wie möglich durchgeführt, das Projekt effektiv gesteuert und Entscheidungen über die Fortführung des Projekts zum richtigen Zeitpunkt getroffen.

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