Qualität ist definiert als „die Gesamtheit der Leistungsmerkmale und der entsprechenden Eigenschaften eines Produkts, einer Person, eines Prozesses, einer Dienstleistung und/oder Systems, die bestimmen, ob das Produkt in der Lage ist, Erwartungen oder festgelegte Erfordernisse bzw. Spezifikationen zu erfüllen“. Da PRINCE2 grundsätzlich von Produkten spricht, ist Qualität die Fähigkeit des Produkts, die gestellten Anforderungen zu erfüllen. Die Anforderungen stehen für das, was zwischen zwei Parteien, z.B. Projektmanager und Auftraggeber, vereinbart wurde. Vereinfacht ausgedrückt geht es um die Erfüllung einer Vereinbarung, also darum, dass die Produkte den definierten Anforderungen entsprechen.
Mit dem Thema Qualität beschreibt PRINCE2 alle notwendigen Schritte und Verfahren, um am Ende des Projekts dem Kunden ein Produkt übergeben zu können, welches der vereinbarten Qualität entspricht. Dies wird von vielen als unbequem empfunden, insbesondere angesichts des enormen Zeit- und Kostendrucks dem Projekte in der Regel unterliegen. Allerdings kann man kaum von einem erfolgreichen Projekt sprechen, wenn das Projekt zwar im geplanten Zeit- und Kostenrahmen realisiert wird, allerdings das Endprodukt nicht die Erwartungen des Kunden erfüllt. Nachbesserungen sind dann häufig die Folge. Würde in diesem Falle der Business Case konsequent weitergeführt werden, würde sich das Projekt in vielen Fällen wohl nicht mehr rechnen.
PRINCE2 beschreibt daher ein Qualitätsmanagementsystem, in dem die wichtigsten Schritte zur Lieferung des Projektendprodukts in der vereinbarten Qualität aufgezeigt werden.
Qualitätsmanagement (System)
Das Qualitätsmanagementsystem beschreibt alle Aktivitäten, Techniken, Tools und Standards, die notwendig sind, um die Erwartungen des Kunden zu erfüllen.
Häufig findet man in großen Organisationen bereits definierte Qualitätsmanagementsysteme vor. Das Ziel dieser Systeme ist es, sicherzustellen, dass die Qualität der geleisteten Arbeit ausreicht, um einen Mehrwert für das Unternehmen zu erzeugen. Diese organisationsweiten Systeme sind ein wichtiger Eckpfeiler zur Sicherung der Qualität, die auch für Projekte eingesetzt werden. Ist bereits ein Qualitätsmanagement in der Organisation vorhanden, muss nicht zwingend auf das Vorgehensmodell von PRINCE2 zurückgegriffen werden. In allen anderen Fällen ist das Qualitätsmanagementsystem von PRINCE2 ein Muss für den Projekterfolg. Auf welches Qualitätsmanagementsystem zurückgegriffen wird und welche Aktivitäten und Techniken angewendet werden sollen, wird in der Qualitätsmanagementstrategie beschrieben. Sollten Lieferanten über eigene Standards und Verfahren verfügen, werden diese hier ebenfalls dokumentiert.
Qualitätssicherung
Ein Qualitätsmanagementsystem kann schnell sehr komplex werden. Umso wichtiger ist die Sicherung dieses Systems, d.h. die Überprüfung, dass die festgelegten Verfahren auch eingehalten werden. Es handelt sich also um eine prozesshafte Sicherung der einzelnen Schritte und nicht um eine Qualitätsprüfung eines spezifischen Produktes.
Die Qualitätssicherung wird durch das Unternehmen gestellt und ist unabhängig vom Projektmanagementteam. Sie kann aber trotzdem Aufgaben der Projektsicherung übernehmen. Umgekehrt wird eine Projektsicherung allerdings keine Aufgaben der Qualitätssicherung außerhalb des Projekts übernehmen.
Der Qualitätskontrollpfad
Der Qualitätskontrollpfad beschreibt alle Elemente des Qualitätsmanagementsystems, um am Ende des Projekts ein Produkt in der vereinbarten Qualität zu liefern. Auch hier liegt der besondere Fokus auf den Produkten des Projekts. Der Pfad ist unterteilt in zwei Bereiche, die Qualitätsplanung und Qualitätssteuerung.
Qualitätsplanung
Die Qualitätsplanung legt die Qualitätsziele und die Anforderungen an die Qualität fest. Hier wird außerdem vorgegeben, wie das Qualitätsmanagementsystem anzuwenden ist.
Im Prozess Vorbereiten eines Projekts wird die Qualitätserwartung des Kunden abgefragt und festgehalten. Es ist für den Kunden leichter „weiche“ Faktoren in Bezug auf die Qualität zu formulieren. Wichtig ist jedoch, diese einzelnen weichen Faktoren in messbare und priorisierte Abnahmekriterien – also in „harte Fakten“ – zu übersetzen. Dies geschieht in Abstimmung zwischen Kunde (Auftraggeber und ggf. Benutzervertreter) und dem Projektmanager, von dem sowohl die Kundenqualitätserwartungen als auch die Projektabnahmekriterien in dem Managementprodukt „Produktbeschreibung des Projektendprodukts“ dokumentiert werden. Dieser Schritt zu Beginn des Projekts ist von entscheidender Bedeutung, um Schwierigkeiten, z.B. Abnahmestreitigkeiten am Projektende zu vermeiden.
Im Prozess Initiieren eines Projekts wird auf Grundlage der Projektabnahmekriterien, des gewählten Projektlösungsansatzes und der eventuell vorhandenen Qualitätsstandards und -techniken die Qualitätsmanagementstrategie erstellt. Die Termine und Ergebnisse der Qualitätsprüfungen werden in dem Qualitätsregister dokumentiert.
Am Ende jeder Phase wird ein Phasenplan für die nächste Phase erstellt. Inhalt dieses Plans sind auch die Produktbeschreibungen der in dieser Phase zu erstellenden Produkte. Die Produktbeschreibungen beinhalten unter anderem die bei der Planung definierten Qualitätskriterien, die Qualitätstoleranz, die Prüfmethode, die notwendigen Kenntnisse der Prüfer und die Qualitätsverantwortlichen.
Qualitätssteuerung
Hauptaufgabe der Qualitätssteuerung ist sicherzustellen, dass die geplanten und erstellten Produkte die definierten Qualitätskriterien erfüllen. Alle Elemente, die zur Prüfung und Sicherstellung der Produktqualität zählen, sind qualitätssteuernd. Wesentlicher Bestandteil der Qualitätssteuerung ist die Anwendung der Qualitätsprüfungstechnik.
Durch die Planung der Qualitätsprüfungen für die Produkte der Folgephase am Ende jeder Phase wird sichergestellt, dass eine Steuerung erfolgt, d.h. anhand der Prüfungsergebnisse kann entschieden werden, ob das Produkt den Anforderungen gerecht wird oder es Nachbesserungen bedarf. Das Qualitätsregister wird mit den geplanten Prüfungsterminen aktualisiert.
Nachdem das Arbeitspaket ausgeführt und damit die Produkte erstellt wurden, kommt es zur Prüfung. Die Prüfungsberichte werden im Qualitätsregister mit entsprechenden Verweisen auf die Dokumentation der durchgeführten Qualitätsaktivitäten zusammengefasst. Beim Abschluss des Projekts wird diese Dokumentation Teil der Projektabnahmedokumentation. Produkte können neben der (technischen) Produktprüfung auch von der Kundenseite zusätzlich gesondert abgenommen werden.
Qualitätsprüfungstechnik
Die Qualitätsprüfung ist eine von PRINCE2 empfohlene Möglichkeit zur Qualitätssteuerung. Die Qualitätsprüfungstechnik ist ein generisches Vorgehensmodell, das Produkte bezüglich der Qualitätskriterien aus den Produktbeschreibungen und der Eignung für das erwartete Ergebnis („fit for purpose“) prüft. Nach einer erfolgreichen Prüfung steht das Produkt zur Abnahme durch die Kundenseite bereit.
Folgende Rollen sind in der Qualitätsprüfungstechnik zuzuweisen:
- Vorsitzender der Prüfung: Er lädt zur Prüfungssitzung ein und stellt sicher, dass die Prüfungstechnik dem Standard entsprechend durchgeführt wird. Kann auch von der Projekt- oder Qualitätssicherung übernommen werden.
- Produktpräsentator: Kommt von der Lieferantenseite (Spezialist, Teammanager etc.) und kann Fragen der Prüfer zum Produkt beantworten.
- Prüfer: Verfügen über die in der Produktbeschreibung definierten Kenntnisse. Es kann einen oder mehrere Prüfer geben, die alle eigenständig und unabhängig von der Lieferantenseite sein sollten. Sie haben die Aufgabe, die Einhaltung der Qualitätskriterien zu überprüfen.
- Administrator der Prüfung: Koordiniert die Kommunikation der Beteiligten an der Prüfung und protokolliert die Prüfungssitzung und alle Ergebnisse.
Die Qualitätsprüfungstechnik erfolgt in drei Schritten:
- Vorbereitung der Prüfung
- Qualitätsprüfungssitzung und
- Nachbereitung der Prüfung
Zur Vorbereitung der Prüfung zählt die Einladung aller Beteiligten, die Verteilung der zu prüfenden Produkte (bzw. wenn möglich Produktkopien) an die Prüfer und die eigentliche Durchführung der Prüfung.
Bei der Qualitätsprüfungssitzung kommen daraufhin alle Beteiligten zusammen. Die Prüfer können Fragen an den Produktpräsentator stellen und/oder Abweichungen von den Qualitätskriterien erläutern. Ziel der Prüfungssitzung ist es, ein einheitliches Verständnis des Prüfungsergebnisses zu erzeugen. Drei verschiedene Ergebnisse sind möglich:
- Fertig gestellt: Das Produkt weist keine Mängel auf und ist für den beabsichtigen Zweck geeignet.
- Bedingt fertig gestellt: Das Produkt ist, vorbehaltlich der auf der Prüfungssitzung vereinbarten Maßnahmen, für den beabsichtigten Zweck geeignet, also mit der Beseitigung kleinerer Mängel freigegeben.
- Unvollständig: Das Produkt muss nachgebessert werden und eine neue Qualitätsprüfung ist aufgrund erheblicher Mängel notwendig.
Die Nachbereitung umfasst die Kommunikation und Dokumentation inklusive Ablage der Prüfungsergebnisse, ggf. die erneute Qualitätsprüfung und bei positivem Ergebnis, soweit vereinbart, die Beantragung der Abnahme durch den Kunden. Die formale Produktabnahme gehört nicht immer zum Ergebnis der Qualitätsprüfung.